Es ist Herbst und ich habe gerade eine 6 Wöchige „Kletterpause“ hinter mir. Da ich einen neuen Camper ausgebaut habe. Aber nun ist es endlich wieder Zeit klettern zu gehen. Das Wetter ist viel zu schön um die Zeit in der Halle zu verbringen, aber es ist gar nicht so einfach etwas trockenes zum Klettern zu finden. Nemuel Feuerle ist allerdings wie immer motivert und so fahren wir zum „Psychogramm“ an der Bürser Platte. Eine Tour die von Alex Luger 2014 erstbegangen wurde und bis jetzt nur 2 mal wiederholt wurde unter anderem von Jacopo Larcher. Alex beschreibt sie mit dem Nymbus einer Todestour – davon wollte ich natürlich erstmal nichts wissen - ich war ja nur neugierig wie schwer sie ist ohne das konkrete Ziel zu haben, sie wirklich punkten zu wollen. Ist es vielleicht gar nicht so gefährlich? Wie schwer ist es denn wirklich? Wie fühlt es sich an wieder etwas bisschen gefährlicheres zu klettern? Solche Fragen drängten sich auf und es galt antworten darauf zu finden.
Ohne Erwartungen mit den ganzen Geschichten im Kopf kletterte ich gemütlich im Toprope gesichert in Psychogramm rein. Ich hatte Nemu während meinen Versuchen in "Prinzip Hoffnung" im Frühjahr öfters in Psychogramm gesehen und es sah wirklich schwer aus.
Irgendwie konnte ich aber alle Züge auf anhieb klettern, auch den Kreuzzug der Alex so schwer fiel ging sofort. Genauso überrascht wie sich diese Zeilen lesen, war ich darüber. Am gleichen Tag konnte ich die Tour dann noch mit einmal Pausieren im Nachstieg durchsteigen.
Bei Touren die bei einem Fehler unweigerlich aufgrund ihrer Absicherung und Schwierigkeit auf dem Boden enden könnten, bin ich immer sehr vorsichtig mit der Entscheidung ob ich es als Projekt für mich definieren möchte. Es muss sich so gut anfühlen dass sowohl der Bauch als auch der Kopf sagen können dass ich die Tour so sicher klettern kann dass ich nicht stürzen werde, denn durch meine Gleitschirmunfälle weiß ich zu gut wie es ist 2 Monate ans Bett gefesselt zu sein. Das möchte ich beileibe mir und meinem Umfeld nicht nochmal antun...:-). Natürlich, kann man nie 100% sicher sein nicht zu stürzen, aber wie bei "Prinzip Hoffnung" in der ich nicht stürzte, glaube ich geht es mit der richtigen Einstellung und Vorbereitung schon, das Risiko eines Sturzes nahezu gänzlich auszuschließen.
Es ist mir natürlich bewusst, dass es heutzutage sehr viele extrem starke Kletterer gibt, die überhaupt kein Problem damit haben in schlechte Placements zu fallen, die das vielleicht sogar irgendwie noch cool finden, teilweise beneide ich das sehr, es würde schließlich vieles einfacher machen. Aber irgendwie widerspricht das meiner Inneren Stimme. Ich habe von klein auf gelernt, dass man im alpinen Gelände nicht stürzt, habe es immer so praktiziert und es fällt mir schwer das zu ändern. Ich wäre ja gerne so ein ganz wilder, der sich "nix scheißt" wie man sagt, dem ist aber nicht so also warum sollte man sich verstellen oder verbiegen?
Es mag verrückt klingen, aber ich habe durch meine FreeSolos in den jungen Jahren gelernt, wie es sich anfühlen muss dass man etwas schweres klettert aber nicht stürzt. Und genau so habe ich nun "Prinzip Hoffnung" und "PsychoGramm" wiederholt ohne zu stürzen. Ich habe mir in der Vorbereitung mental vorgestellt ohne Seil unterwegs zu sein, das erhöht zwar insgesamt den Druck, der dann aber einen Perfektionismus aktiviert mit dem es dann möglich macht Touren die gefährlich sind sehr sicher zu wiederholen - wie ich finde.
Zurück zu "PsychoGramm". Schließlich überraschte mich sehr dass ich bei „PsychoGramm“ unmittelbar an diesem Tag noch jenes Gefühl hatte, die Züge sehr sicher machen zu können - selbst bei "Prinzip Hoffnung" die leichter und sicherer ist, war ich mir am Anfang nicht so sicher - also war für mich klar, ich will die Tour punkten.
Schon am zweiten Tag in der Tour gelang mir dann von meinem Freund Klaus Isele gesichert der Toprope durchstieg. Sehr euphorisch dachte ich dann, dass es wohl schnell gehen wird mit der Begehung.
(c) Alex Fuchs
Ich kontaktierte wieder Nemuel der das Rack - also die Microkeile und Friends die man als Sicherungen legen muss - für Psychogramm schon zusammen hatte und wir fuhren gemeinsam hin. Zusammen mit Nemu checkten wir die Placements und waren uns einig, wenn der splittrige Fels hält, halten die Placements auch. Ein Griffausbruch 2 Tage später machte uns allerdings nochmal bewusst, dass es ein bisschen eine Lotterie bleibt ob der Fels hält oder nicht, schließlich stecken die Microkeile z.T. nur 5-10mm tief in den kleinen Rissen.
In den folgenden Tagen machte ich dann die ersten Toprope Versuche mit Placements platzieren und merkte schnell dass meine Euphorie ein bisschen zu groß war, denn wie ich es bei „Prinzip Hoffnung“ schon erlebt hatte, habe ich gemerkt dass der Schuh mit dem ich immer probierte zu weich war, ich hatte das Gefühl auf Eiern unterwegs zu sein da das Placements legen so viel Zeit braucht und damit die Füße müde werden und die Spannung weg geht. Also musste ich erst wieder mit einem neuen härteren Schuh anrücken. Das Nächste was dazwischen kam, war dass mir immer die Kraft ausging, ob es jetzt an zu wenig Kraft lag oder am zu fest zu packen, weiß man nicht aber Fakt war eben, die Tour ohne Placements durchzusteigen ist recht einfach, da die Kletterzeit sehr kurz ist, mit Legen wird es dann aber doch wirklich schwer und die Schlüsselstelle nach so langem festhalten der Microcrimps und den schlechten Tritten fühlte sich hart an.
Naiv machte ich einen Vorstiegsversuch und merkte schon gleich am Anfang dass ich keine Chance habe, also ging ich nochmal in die Kletterhalle und trainierte speziefisch ähnliche Microgriffe fest zu halten. Zwei, drei Trainingseinheiten später war schon deutlich mehr Kraft da und ich vielleicht ein bisschen lockerer. Leider wurde es dann aber kalt und ich dachte die Saison ist vorbei. Ich machte wieder einen Vorstiegsversuch hatte aber nach dem Legen der Placements in der Schlüsselstelle so taube Finger und Zehen dass ich mich nicht traute diese diffizilen Züge zu machen ohne irgendetwas zu fühlen.
(c) Alex Fuchs
Gemeinsam mit Nemu überbrückte ich die Zeit mit spezifischem Fingerkraft Training und Maximalkraft Bouldern. Unser Familien Urlaub nach Sri Lanka rückte näher. Außerdem kam ein Pflicht Familien Wochenende in Deutschland mit viel Essen und Trinken dazwischen und machte meine eigentlichen Ambitionen vor dem Urlaub vollkommen zu Nichte. Am Sonntag schaute ich dann von Deutschland aus ins Wetter und obwohl wir am Donnerstag für drei Wochen in die Sonne fliegen würden, dachte ich mir dieses Wetter mit dem warmen Föhn will ich nutzen.
So fuhr ich mit Nemu am Montag an Psychogramm, boulderte einmal durch und spürte dass die Bedingungen und Temperaturen perfekt sind also entschied ich mich einen Vorstiegsgo zu machen. Alles in mir sagte, nutze diese Chance. Der Bauch sagte machen, du bist so stark wie nie. Nur der Kopf zweifelte, soll ich es riskieren, du willst doch nach Sri Lanka. Was sagen Jana und Lenz wenn ich mit einem gebrochenen Bein nachhause komme. Aber diese Stimmen gilt es manchmal zu hören und anzunehmen. Erst dann kann ich entscheiden ob der Bauch und das Herz immer noch zustimmen und sagen dass ich es probieren soll.
So stieg ich ein. Am Anfang war ich noch ein bisschen nervös aber dann war ich drin, ich kletterte, legte alle Placements, schaute die Schlüsselstelle hinauf und wusste es war meine Chance jetzt alles zu geben. Es fühlte sich alles schwerelos an und so kletterte ich weiter, setzte den Schlüsselzug an und spürte diese Leichtigkeit. Kein Seil das mich von oben sichert. Einfach klettern und machen. Wie in einem Vakuum machte ich Zug um Zug und ehe ich mich versah war ich am Topgriff. Voller Enthusiasmus hängte ich den Umlenker ein und spürte eine unglaubliche Energie und Freude.
Wie es so ist mit dem nicht Stürzen, machte ich dann gegen meinen Willen beim Fotografieren doch noch meinen Abgang...so schnell geht es eben wenn der Fokus nicht mehr da ist.
In summe konnte ich Psychogramm am 7 Tag (16.12.2019) klettern, danke an Nemu, Klaus, Roman, Roli, Beat und Hannes fürs Sichern und mit rumhängen...
(c) Alex Fuchs